Anwalt ohne Recht
Schicksale jüdischer Anwälte in Deutschland und im Landgerichtsbezirk Potsdam nach 1933

Eine Wanderausstellung der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Juristentages

15.01.2016 - 14.02.2016


Die Ausstellung der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Juristentages dokumentiert am Beispiel ausgewählter Biographien die standesrechtliche Ausgrenzung und rassische Verfolgung jüdischer Juristen unter dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland. Entsprechend dem föderalen Charakter der Schau werden auf ihrer Station in Potsdam auch Schicksale von neun jüdischen Juristen aus dem Landgerichtsbezirk Potsdam vorgestellt. Dem liegen Recherchen des Forschungsbüros Politik und Geschichte zugrunde, die 2001 auf Initiative von Hans-Jürgen Wende, des damaligen Präsidenten des Landgerichts Potsdam und späteren Vorsitzenden des Vereins Freunde des HBPG e. V., und im Auftrag der Potsdamer Juristischen Gesellschaft e. V. unternommen wurden. Das daraus entstandene Buch von Hans Bergemann und Simone Ladwig-Winters "Für ihn brach die Welt, wie er sie kannte, zusammen... Juristen jüdischer Herkunft im Landgerichtsbezirk Potsdam" (Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln 2003, ISBN 3-504-01011-8) bewahrt nun das Andenken von 32 Juristen.

Zum historischen Hintergrund
Die Ausgrenzung und rassische Verfolgung jüdischer Juristen begann mit dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933, das erstmals einen sogenannten Arier-Paragraphen enthielt, sowie mit dem "Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft" vom 7. April 1933. In deren Folge wurden "nichtarische" Richter und Staatsanwälte aus dem Staatsdienst entlassen bzw. vorzeitig in den Ruhestand versetzt und freiberuflich tätige Rechtsanwälte verloren ihre Zulassung – vorerst noch mit Ausnahme der "Frontkämpfer" des Ersten Weltkrieges und der vor 1914 verbeamteten bzw. zugelassenen jüdischen Juristen. Alle betroffenen Anwälte mussten erneut einen Antrag auf "Wiederzulassung" und Prüfung eventueller Ausnahmekriterien stellen. Jüdische Anwälte, die weiter praktizieren durften, erhielten jedoch keine Armenrechtsmandate mehr, wurden nicht mehr als gerichtliche Gutachter bestellt und mussten gemeinsame Anwaltskanzleien mit "Ariern" auflösen. Nach den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 entzog die 5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 30. September 1938 allen jüdischen Anwälten ihre Zulassung und unterwarf sie damit einem allgemeinen Berufsverbot. Nur noch wenige, die rassisch als "Mischlinge" galten, durften als "Konsulenten" und nur für Juden juristisch tätig sein. Mit dem Pogrom vom 9./10. November 1938 begann die systematische Verfolgung, Vertreibung, Deportation und Ermordung von Juden in Deutschland, der auch ehemalige jüdische Juristen und ihre Familien zum Opfer fielen. Nur einzelne konnten untertauchen, den Holocaust überleben und nach 1945 wieder in ihrem Beruf arbeiten.

Die Ausstellung wird veranstaltet von der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH/Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, der Landeshauptstadt Potsdam, der Potsdamer Juristischen Gesellschaft e. V. und dem Verein Freunde des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte e. V.

Eintritt: frei

Ausstellungseröffnung:
Do, 14. Januar 2016, 18 Uhr


Begleitveranstaltung

Mittwoch, 27. Januar 2016, 18 Uhr
Vortrag zum Buch
"Für ihn brach die Welt, wie er sie kannte, zusammen..."
Juristen jüdischer Herkunft im Landgerichtsbezirk Potsdam

Dr. Simone Ladwig-Winters, Mitautorin
Das Buch von Hans Bergemann und Simone Ladwig-Winters dokumentiert die Schicksale von 32 Juristen , die im Landgerichtsbezirk Potsdam unter dem nationalsozialistischen Regime als "Nicharier" stigmatisiert, ausgegrenzt und verfolgt wurden.

Dr. Simone Ladwig-Winters, lebt als freie Autorin und Wissenschaftlerin in Berlin, seit über 20 Jahren Auseinandersetzung mit der deutsch-jüdischen Geschichte, Promotion über die Geschichte des Warenhauses Wertheim, wissenschaftliche Koordinatorin der Ausstellung "Wir waren Nachbarn" im Rathaus Berlin-Schöneberg, zugleich wissenschaftliche Bearbeiterin verschiedener Forschungsvorhaben

Beitrag: 5 Euro/erm. 3 Euro
Die Ausstellung ist bis 18 Uhr geöffnet.

 

Mittwoch, 10. Februar 2016, 18 Uhr
Vortrag
"Ein Beispiel intakter Rechtspflege?"
Der Potsdamer Staatsanwalt Hans Dombois in der NS-Zeit

Lorenz Völker, Gymnasiallehrer und Buchautor
Der zufällige Fund der Entnazifizierungsakte, auf einem Foto der Großvater mit Parteiabzeichen, dessen Karriere als Staatsanwalt in Potsdam: Der Enkel beginnt, die tradierte Familiengeschichte zu hinterfragen und begibt sich auf eine spannende Spurensuche nach Zeitzeugen und neuen Wahrheiten. Dabei stößt er auf zwei zentrale Gerichtsprozesse, die sein Großvater in den 1930er Jahren am Landgericht Potsdam angestoßen hat. In ihrem Mittelpunkt standen eine jüdische Schülerin aus Berlin und ein junger jüdischer Jurist aus Potsdam. Lorenz Völker findet deren Nachkommen, und Stück für Stück gelingt es ihm, das Bild vom Wirken seines Großvaters als Staatsanwalt im Dritten Reich neu zusammenzusetzen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Endgültigkeit.

Lorenz Völker, Jahrgang 1970, arbeitet als Lehrer für die Fächer Geschichte und Sport an einem Berliner Gymnasium. Bislang hat er vor allem auf dem Gebiet der Zeitgeschichte des Sports publiziert. Er ist Gründungsmitglied des Zentrums deutsche Sportgeschichte Berlin-Brandenburg e.V. Mit den Recherchen zu seinem Buch "War mein Großvater ein Nazi?": Ein Enkel auf Spurensuche nach der Geschichte eines Staatsanwalts im Dritten Reich hat er dazu beigetragen, dass 2014 in Potsdam "Stolpersteine" für die Familie Lehmann verlegt wurden.

Beitrag: 5 Euro/erm. 3 Euro
Die Ausstellung ist bis 18 Uhr geöffnet.


Besucheradresse
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
Kutschstall, Am Neuen Markt 9
14467 Potsdam
Tel: 0331/62085-50


 
 
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